Zur Entschädigung für entzogene Gebrauchsvorteile bei gewerblich genutzten Fahrzeugen

LG Köln, Urteil vom 21.12.2011 – 9 S 62/11

Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine Entschädigung für entzogene Gebrauchsvorteile auch bei gewerblich genutzten Fahrzeugen in Betracht, falls sich die Gebrauchsentbehrung nicht unmittelbar in einer Minderung des Gewerbeertrages niederschlägt. Sofern das Fahrzeug unmittelbar zur Erbringung gewerblicher Leistungen dient, wie z.B. ein Taxi oder ein LKW, ist der Ertragsentgang konkret zu berechnen. Liegt aber kein konkret zu beziffernder Verdienstentgang vor, ist es dem Geschädigten nicht verwehrt, an Stelle des Verdienstentgangs eine Nutzungsentschädigung zu verlangen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen, also insbesondere ein fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil für den Geschädigten eingetreten ist. Dabei muss nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs eine derartige Ergänzung des gesetzlich normierten Schadensbegriffs auf Fälle beschränkt bleiben, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist (Rn.5).

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 26. Januar 2011 – 16 C 371/10 – aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.088,30 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Juli 2010 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

I.

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe

II.

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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache Erfolg.

3

Dem Kläger steht ein Nutzungsentschädigungsanspruch in Höhe von noch 1.088,30 € (18 Tage à 65,00 € abzgl. bereits gezahlter 81,70 €) gegen die Beklagte zu.

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1. Die Kammer ist der Ansicht, dass auch bei gewerblich genutzten Fahrzeugen eine Nutzungsentschädigung in Betracht kommt, sofern eine fühlbare Beeinträchtigung vorliegt. Dabei ist die Entschädigung nicht lediglich auf einen entgangenen Gewinn, die Vorhaltekosten eines Reservefahrzeugs oder die Mietkosten für ein Ersatzfahrzeug beschränkt, welche konkret nachzuweisen wären, sondern es kommt ebenso wie im Falle einer privaten Nutzung eine Entschädigung für entgangene Gebrauchsvorteile in Betracht.

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Nach der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, welcher sich die Kammer anschließt, kommt eine Entschädigung für entzogene Gebrauchsvorteile auch bei gewerblich genutzten Fahrzeugen in Betracht, falls sich die Gebrauchsentbehrung nicht unmittelbar in einer Minderung des Gewerbeertrages niederschlägt (Urteil des BGH vom 04. Dezember 2007, Az.: VI ZR 241/06, Rn. 6; Urteil des BGH vom 26. März 1985, Az.: VI ZR 267/83). Sofern das Fahrzeug unmittelbar zur Erbringung gewerblicher Leistungen dient, wie z.B. ein Taxi oder ein LKW, ist der Ertragsentgang konkret zu berechnen. Liegt aber kein konkret zu beziffernder Verdienstentgang vor, ist es dem Geschädigten nicht verwehrt, an Stelle des Verdienstentgangs eine Nutzungsentschädigung zu verlangen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen, also insbesondere ein fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil für den Geschädigten eingetreten ist (BGH aaO). Dabei muss nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs eine derartige Ergänzung des gesetzlich normierten Schadensbegriffs auf Fälle beschränkt bleiben, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen sei (BGH aaO; BGHZ [GSZ] 98, 212, 222).

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Diese Entscheidung des Großen Senats ist nach Ansicht der Kammer dahingehend zu verstehen, dass eine Nutzungsentschädigung bei gewerblich genutzten Fahrzeugen nicht nur in Betracht kommt, sofern Vorhaltekosten eines Reservefahrzeugs oder Mietkosten für ein Ersatzfahrzeug anfallen, sondern auch, sofern die Voraussetzungen einer Nutzungsausfallentschädigung im Sinne eines fühlbaren wirtschaftlichen Nachteils gegeben sind (dahingehend auch: BGH aaO, Rn. 10; OLG Hamm, NZV 1994, 227, 228; OLG Köln, VersR 1995, 719, 720; OLG Düsseldorf, OLGR 2001, 453f.; OLG Stuttgart, NZV 2005, 309; OLG Schleswig, OLGR 2005, 601, 602; OLG Stuttgart, NZV 2007, 414, 415f.; a.A.: OLG Brandenburg, OLGR 1996, 76; OLG Köln, VersR 1997, 506; OLG Düsseldorf, NZV 1999, 472; OLG Hamm, VersR OLGR 2000, 169, 170 und OLGR 2000, 211, 213; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 971; OLG Hamm, VersR 2004, 1572f.; OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 659, 660f.; LG Halle, VersR 2002, 1525, 1527).

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2. Der Kläger hat einen fühlbaren wirtschaftlichen Nachteil hinreichend dargelegt und bewiesen. Nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers erfolgt die Nutzung des PKW hälftig zu gewerblichen und hälftig zu privaten Zwecken.

8

Nach den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Angaben des Klägers persönlich und der Zeugin I steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger üblicherweise zweimal täglich von seinem Wohnhaus in welchem sich auch sein Büro befindet (Z-Straße in Gummersbach) zu dem Lager seines Bauunternehmens (Am C-Weg in Gummersbach) und wieder zurück mit dem PKW fährt, um seine Mitarbeiter einzuteilen bzw. notwendige Besprechungen und Planungen durchzuführen. Während der Reparatur des PKW Kia Sorento legte der Kläger die Strecken teilweise zu Fuß oder mit einem Baustellenfahrzeug seines Bauunternehmens zurück. Weiter fuhr der Kläger mindestens einmal täglich die Baustellen seines Unternehmens ab. Für diese Fahrten lieh der Kläger entweder den PKW seiner Schwiegermutter oder fuhr mit einem der firmeneigenen Baustellenfahrzeuge die Mitarbeiter zu der jeweiligen Baustelle, um dieses Fahrzeug anschließend mitnehmen und für das Abfahren der übrigen Baustellen nutzen zu können. Am Ende des Arbeitstages musste der Kläger seine Mitarbeiter dann mit dem Baustellenfahrzeug wieder von der Baustelle abholen.

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Die übrigen privaten Fahrten zur Erledigung von Einkäufen und Besorgungen sowie dem Transport der gemeinsamen Kinder zu Freizeitbeschäftigungen mit dem PKW erfolgen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme grundsätzlich nach Absprache zwischen dem Kläger und der Zeugin I. Der Kläger persönlich und die Zeugin I bekundeten schlüssig und übereinstimmend, während der Reparaturdauer sei hierfür vermehrt der PKW der Schwiegermutter des Klägers ausgeliehen worden oder die Kinder hätten auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen müssen.

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Weiter erklärten der Kläger persönlich und die Zeugin I nachvollziehbar, der PKW der Schwiegermutter, ein Ford Fiesta, werde üblicherweise von dieser alleine genutzt und es erfolge grundsätzlich keine gemeinsame Nutzung. Zwar sei der PKW auf die Zeugin I angemeldet, dies jedoch nur aus versicherungsrechtlichen Gründen. Auch der Umstand, dass die Schwiegermutter mit dem Kläger und der Zeugin I in einem Haus wohnt, ändert hieran nichts. Sowohl der Kläger persönlich als auch die Zeugin I schilderten glaubhaft, dass der Ford Fiesta dennoch nur von der Schwiegermutter genutzt werde und es sich um ihren PKW handele, welcher nicht als Zweitwagen der Familie fungiere, sondern insoweit eine strikte Trennung erfolge. Die Zeugin I bekundete nachvollziehbar, sie leihe den PKW ihrer Mutter normalerweise nur in äußerst seltenen Fällen, wenn eine andere Abstimmung mit dem Kläger nicht möglich sei. Dies komme nach ihrer Einschätzung vielleicht einmal im halben Jahr vor.

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Im Ergebnis ist die Kammer daher davon überzeugt, dass der Kläger während der Reparatur eine fühlbare Beeinträchtigung erlitt, welche eine Nutzungsentschädigung rechtfertigt.

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3. Die seitens des Klägers behauptete Reparaturdauer von 18 Tagen steht nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest. Der Zeuge C bekundete im Rahmen seiner schriftlichen Aussage vom 22. September 2011 (Bl. 97 d.A.), der PKW Kia Sorento habe sich in der Zeit vom 08. März bis zum 24. März 2010 in Reparatur befunden. Diese Aussage deckt sich inhaltlich mit der Reparaturbestätigung vom 26. März 2010 (eingereicht als Anlage K1, Bl. 5 d.A.). Zudem hat der Zeuge C kein Eigeninteresse an dem Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits, so dass keine Bedenken hinsichtlich der Glaubhaftigkeit dieser Aussage bestehen.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

III.

14

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war, zumal sich die Kammer mit der Entscheidung auf der Linie des Bundesgerichtshofs bewegt.

15

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.088,30 €.

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